Sonntag, 23. Juni 2019

Hankö 21.6.2019





Der ärgste Feind der Finnen ist die Melancholie: Trübsal, grenzenlose Apathie. Schwermut lastet auf dem unglücklichen Volk, hat sich im Laufe der Jahrtausende alle Menschen des Landes unterworfen, sodass ihre Seele düster und ernst ist. Die Wirkung ist so verheerend, dass viele im Tod die einzige Rettung aus der
Bedrängnis sehen. Das finstere Gemüt ist ein schlimmerer Feind als einst die Sowjetunion. Die Finnen sind jedoch ein Volk von Kämpfern. Nachgeben gilt nicht. Ein ums andere Mal rebellieren sie gegen den Tyrannen. Johannis, das mittsommerliche Fest des Lichtes und der Freude, ist für die Finnen wie eine gewaltige Schlacht, in der sie die zehrende Schwermut mit vereinten Kräften und gewaltsamen Mitteln zu bannen versuchen. Das ganze Volk macht am Vorabend von Johannis mobil: Nicht nur die diensttauglichen Männer, sondern auch Frauen, Kinder und alte Leute eilen an die Front. 
An Finnlands tausend und abertausend Seen werden riesige heidnische Feuer entfacht, um die Finsternis zu vertreiben. Blauweiße Kriegsfahnen werden an den Masten gehisst. Fünf Millionen finnischer Krieger stärken sich vor der Schlacht mit fettigen Würsten und gegrillten Schweinesteaks. Bedenkenlos trinken sie sich Mut an, und zu Akkordeonklängen marschieren die
Truppen auf, um den Feind zu attackieren. In einem pausenlosen, die ganze Nacht währenden Kampf wird seine Macht gebrochen.
In der Hitze der Nahkämpfe finden die Geschlechter zueinander, Frauen werden geschwängert. In Schnellbooten fahren Männer hinaus und ertrinken in den Seen und Buchten. Zu Tausenden fallen die Menschen in die Erlenbüsche und Brennnesselsträucher. Man sieht aufopfernde Tapferkeit und zahlreiche Heldentaten. Freude und Glück tragen den Sieg davon, die Schwermut wird vertrieben, das Volk genießt wenigstens eine Nacht im Jahr seine Freiheit, nachdem es den finsteren Unterdrücker gewaltsam bezwungen hat.
(Arto Paasilinna: Der Wunderbare Massenselbstmord)

Die Saufnasen sind entweder früh auf, oder haben gar nicht geschlafen, jedenfalls ist der See vor dem Hafen knallvoll halsbrecherischer Speedbootfahrer(innen). Der Wind geht schwach, die Schabernack dümpelt mehr, als sie fährt und gerät mehrfach in spektakuläre Wellen. 
Die Fahrt nach Hankö verbuche ich dennoch als schöne Überraschung, viel schöner, als die profane Tourenbeschreibung darstellt, viel schöner, als aus der Karte herzuleiten. Viele schöne enge Durchfahrten, nah am Felsen, Inseln mit fantastischen Häusern und auch ohne Häuser... mir scheint, als zeige sich das Archipel von seiner schönsten Seite, um den Abschied so richtig schwer zu machen.
Hat geklappt.






Ich wähle den Hafen am Nordrand der Halbinsel, weit weg vom Gedöns. Kaufe ein und ziehe mich zurück. Krach kann ich jetzt gerade gar nicht.

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