Dienstag, 5. Juni 2018

Denn erstens kommt es anders... 29.5.- 2.6.18

Vor die Abreise hat der liebe Gott die Anfahrt gesetzt und die ist sensationell verregnet. Und ich schaffe es noch auf den letzten Drücker in den Hafen, die Schranke macht ja um 22.00 zu.

 Der nächste Morgen gehört dem Saubermachen. Ich habe meinen Kärcher dabei, und immer noch den Satz meines Vorbesitzers in den Ohren, dass man hier und da mal mit nem scharfen Wasserstrahl beimuss.



 Eigentlich ist es ja zum schämen. Links der vorher- rechts nachher... Dabei löst sich stellenweise die nachträglich aufgebrachte Deckfarbe - das riecht nach dem nächsten Projekt.
Ich fahre erst spät los und bin eigentlich vielleicht mit Tamara in Amsterdam verabredet. Sie muss erst noch ein paar familiäre Sachen organisieren.
In Lemmer entscheide ich mich, mal nicht im üblichen Gemeindehafen zu übernachten - sondern im Binnenhafen.
Nach der zweiten Brücke erfahre ich, dass ich Brückengeld zu zahlen habe, der Hafen hat keinerlei Infrastruktur außer einem Liegegeld-Automaten und ich muss im Päckchen mit einer Motoryacht liegen - und bin froh, dass meine Schabernack jetzt so schön geputzt ist.



Ich fahre zunächst einmal Richtung Urk und gegebenenfalls weiter nach Lelystadt. Je nachdem was der Wind macht.
Und der macht zunächst gar nichts.

Der Wind schläft wieder fast völlig ein, der Autohelm schnurrt vor sich hin, dem habe ich jetzt endlich einen Down-Konverter verpasst, damit nicht wieder Ladestrom die Elektrik ruiniert.
Es ist so ruhig, dass ich aus Langeweile die Bilgenpumpe ausbaue und zerlege, die Automatik funktioniert nicht.
Und dann kommen die Mücken. Schon wieder.
Und Stück für Stück zieht der Himmel sich weiter zu und dann bricht das Donnerwetter los.
5 Minuten nach diesem Bild muss ich mich entscheiden, ob ich meine Genua verlieren oder nass werden will, 5 Minuten und 5 Sekunden später bin ich bis auf die Unterhose nass, die Genua unten, die Fock oben und das Groß gerefft.
Ich habe alle Hände voll zu tun und segele gegen den Sturm an, überall um mich herum blitzt und donnert es. Ich fahre zu den Windrädern in der Hoffnung, dass die mir den Blitzableiter machen.
Es riecht nach Ozon und stelle fest, dass die Reling bis ins Wasser geht. Wenn ich vorne herumtobe und das Ruder fixiere.
Nach ein paar unendlich langen Minuten sehe ich, dass Urk Sonne hat, es ist also unsinnig, die Option "umdrehen und mit dem Wind fahren" ernsthaft zu verfolgen.
Außerdem sind um mich herum eine ganze Reihe anderer Boote, die sich mutig mit Motorunterstützung gegen den Wind ankämpfen.
Als der Wind abflaut, schmecke ich mein Adrenalin und ich schicke lästerliche Flüche und schüttele die Faust gegen das Meer.

Das ist ein Fehler
ein schlimmer Fehler 


 Und so komme ich in Urk an, und beschließe heute hier zu bleiben.

Neben mir liegen Geert und Ria mit einer -Achtung Torsten - Albin Vega. Er ist bereits Rentner, sie ist Juristin, die ihren Job gekündigt und ihre Wohnung in Amsterdam verkauft hat. Und jetzt von dem Geld lebt. Wir trinken auf der Hafenmauer Bier und Wein.
Stellen fest, dass das Bier "tien Procent" hat, egal, hoch die Tassen.

Abends kommt ein Trupp Segelschüler vorbei, einer stutzt und zeigt auf die Schabernack: "Das ist doch der Adrenalinjunkie, der da heute in dem Sturm gesegelt ist", Antwort Segellehrer: "Guck mal, der hat eine Einhandflagge dran, der weiß was er macht".
Gott, bin ich stolz

Weiter gehts nach Lelystadt, Tamara hat ihr Familiending nicht auflösen können und Amsterdam fällt aus. Es ist ziemlich diesig und die Navigation nach Landpunkten muss ausfallen.

 Hinter der Schleuse verabschiede ich mich von Geert und Ria, ich will ins Outlet, Schuhe kaufen. Danach weiter nach Enkhuizen und die Einhandsegler treffen.
Die Fahrt übers Markermeer ist eine Butterfahrt und dann passieren zwei Dinge auf einmal, die nichts miteinander zu tun haben:
Mit einem Knall fliegt der Autopilot aus seiner Halterung, reißt sich vom Kabel los und fliegt ins Wasser.
Zur selben Zeit bricht der Haltebolzen am Vorstag.
Das ist die Rache des blanken Hans, den ich gestern noch ausgelacht hab.
Ich versuche dann auch zwei Dinge auf einmal: Den Autohelm zu retten, der noch ein paar Momente schwimmt und die Segel zu bergen, was gar nicht einfach ist, das Vorsegel entwickelt ein Eigenleben.
Zwei Anfahrten auf den Autohelm starte ich, zwei mal verpasse ich das Ding knapp mit dem Enterhaken.
Dann kümmere ich mich darum, das Großsegel komplett herunterzuholen, weil ich erst jetzt das volle Ausmaß der Katastrophe erkenne. Dabei verliere ich den Autohelm aus den Augen und kann ihn nicht mehr wiederfinden.
Ich sehe auch noch, dass die Steuerbord-Unterwant schlackert. Nicht ein bisschen lose ist, sondern wild schlackert. 
Boah, nä!
Im Hafen untersuche ich den Schaden und stelle fest, dass nur der Bolzen hinüber ist, den ersetze ich provisorisch, falls ich morgen keinen bekomme.


Die Unterwant, so stelle ich fest, ist nicht kaputt. Dass die so lose ist, kann man bei gespannten Vor- und Backstag gar nicht so erkennen.
Also nutze ich die Möglichkeit und spanne ich beide Unterwanten bei losem Vorstag.

Und wenn ich schon mal zugange bin, dann kann ich auch gleich eine neue Dierk einziehen. Die vorhandene ist gerissen und wohl in Sneek von einem freundlichen Menschen wieder zusammengeknotet. 




Dazu werden die beiden Enden stumpf zuammen genäht und die neue Dierk mit der alten hochgezogen. Ein Zupfer und die die Nahtstelle ist über die kritische Stelle, die Rolle am Masttopp.
Und nun ziert eine neue Dierk das Boot.
Aber die Abfahrt hat sich so verzögert, dass ich die Brücke in Uitwellingerga nicht mehr schaffe. Die letzte Nacht verbringe ich so:
Es wäre Jammern auf höchstem Niveau

19.5. - 20.5.18 heimwärts

Enkhuizen entpuppt sich als sehr spaßig. Ich werde zwar in das hinterste Eck des Hafens gelegt, wo ein toter, nicht mehr ganz frischer Fisch im Ufergestrüpp schwimmt, ich lerne aber Klaus und Peter, zwei andere Einhandsegler und Uwe mit seiner Patnerin Ki kennen. Wir gehen auf Bierprobe in die Brauerei der Stadt und haben morgens einen dicken Kopf.
Wir besuchen uns gegenseitig auf den Booten, und die Abfahrt wird später und später...
Der Wind passt ganz genau und ich fahre mit Vollzeug gen Lemmer. 


Bis der Wind abflaut, dann kommen die Mücken. Myriaden und sie sitzen überall.


Der letztewirklich große Spaß ist dann die Schleuse in Lemmer.
Boote-Tetris, Quer stehende Motor-Charter-Dinger. Muttern die vorne herumtobt, während Vater am Steuer wenigstens den Anschein der Coolness wahrt.

Schleuse Altenrheine - Kurz vor Lingen 2.4.2024 (Ach, Du Scheiße!)

  Ich habe das Gefühl, ein bisschen was aufholen zu müssen und bin früh unterwegs. Ich kann mich hinter einem Tanker einordnen, der ziemlich...