Samstag, 29. Juni 2019

Ventspils - Der Weg ist das Ziel... 29.6.2019


... am Arsch! Das Ziel ist das Ziel.

Gestern abend habe ich noch mit Konstantina geschrieben, (immerhin gibt es ein schwaches mobiles Netz), und ich stelle für mich fest: ich brauche eine Pause. Eine Pause von der Reise, vom Schielen auf die Wetter-App, vom Alleinesein.
Sie hat mich eingeladen, ein paar Tage auf Gotland zu verbringen, und praktischerweise die Tickets für die Fähren nach Gotland von Ventspils aus gleich mit gebucht. Meine Fahrt beginnt um 21:00 um 19:00 muss ich in Ventspils einchecken.
Der Hafenführer veranschlagt die Entfernung mit 38 sm, erst als ich die Route ausarbeite, wird klar, dass es sich eher um 55 sm handelt. Dass man einen Riesenbogen um die Hafeneinfahrt schlagen muss, weil Steine (natürlich), aber auch Wracks, (die die Steine ignoriert haben) und eine Schießübungsgegend der lettischen Armee direkt vor der Hafeneinfahrt liegen.
Ich fahre bei Sonnenaufgang los, und fühle mich vom ersten Moment an unter Zeitdruck.



Der Leuchtturm von Saareena um 3:30.

Die erste Merkwürdigkeit: meinen Kurs sw und w kriege ich kaum gehalten: Ich assoziiere den Sonnenaufgang nämlich immer noch mit Osten, da ist er aber um diese Jahreszeit hier nicht. Die Sonne geht hier fast im Norden auf und unter.
Der zweite Fehler folgt aus dem ersten: Das Stück Land, das ich als littauische Küste identifiziere, ist die Insel Ruhnu. Und ich brauche eine ganze Weile, um das in mein Hirn zu kriegen.

Alles das wäre auch ok, aber, wie ich schon gesagt hab, es gibt drei Arten von Wind: zu viel, zu wenig, falsche Richtung. Und heute habe ich alles drei Windarten zusammen.

Ich kann nur bis kurz hinter den Leuchtturm segeln, dann aber dann muss ich abbiegen und ab hier kreuzen. Aber ich habe den 19:00-Termin im Nacken, deswegen schmeiße ich den Motor an und den Autopiloten.   
Es schmeißt die Schabernack hin und her, dabei kann ich den direkten Weg gar nicht fahren, der führt nämlich direkt im 90-Grad-Winkel durch die Wellen und bremst das Boot auf unter 3 kn. 
Ich mute dem Motor wirklich viel zu, aber alle Versuche, ein paar Meilen zu segeln scheitern. Denn um Fahrt zu behalten muss fast Richtung Norden abdrehen, kreuzen gegen Süden geht aufgrund des Sperrgebiets gar nicht. Dass sich der Wind blöd um die Landzunge, dreht, dass ich immer weiter im genauen Gegenwindkurs bleibe, macht es nicht leichter.  Das es sich zuzieht und auch noch anfängt zu nieseln, auch nicht.
Scheißfahrt.



Um 16:00 bin ich heilfroh, im Hafen anzulanden. Der entpuppt sich als Krönung dieser furchtbaren Fahrt als außerordentliche Scheußlichkeit, allerdings ist der Hafenmeister sehr nett.
Als ich ihm erkläre, dass ich das Boot nur abstellen und nach Gotland fahren will, stellt er mir einen guten Rabatt in Aussicht.
Wir werden sehen. 





Freitag, 28. Juni 2019

Montu oder: Ist das Nichts ein Seiendes? 28.6.2019



Von Platon über Kant bis Heidegger: Sie alle zerbrachen sich über die Natur des „Seienden“ und des „Nichts“. Bis hin zur Frage, ob das „Nichts“ an sich  existiert.
Sie hätten nur nach Montu fahren müssen, dann wüssten sie: Es gibt das „Nichts“. Sogar das „totale Nichts“. Und es ist in Montu.
Aber der Reihe nach: Der Windfinder macht keine Hoffnung auf ein Wiedersehen mit Konstantina, der griechischen Ärztin in Schweden. Zumindest nicht während dieser Reise.
Es gibt zwar immer wieder Zeitfenster, in denen eine Weiterreise Richtung Gotland für ein paar Stunden geht, aber ansonsten steht der Wind ununterbrochen ab 5 bft, aus Westen. Und das soll auch noch im überschaubaren Zeitraum der nächsten Tage so bleiben.
Ich schummele mich, in diesen segelbaren Zeiten nach Süden, so ist mein Plan, und irgendwann muss ich mich dann entscheiden, entweder den großen Sprung an Kalinigrad vorbei zu machen, oder vielleicht auf eine Änderung des Wetters zu spekulieren und den Sprung nach Gotland zu wagen.
Gotland wäre eine Tour von 85 sm, also etwa 24 Stunden.
Kaliningrad würde mindestens 125 sm oder wenn ich aus Lettland losfahren würde, über 155sm werden. 
Und so drehen sich meine Gedanken immer nur noch im Kreis, ich erwäge Strategien und Touren, und der Blick auf den Windfinder, den ich zur Wetterapp meines Vertrauens erkoren hab, wird zur Obsession.
Allerdinngs muss ich erst einmal Richtung Ostseeküste, raus aus der Rigaer Bucht.

Die letzte Nacht war jedenfalls grausig. Grausig laut. Es war ein Geschepper und Geklapper vom Allerfeinsten, das Boot wurde sogar im Hafen noch durchgeschüttelt; ich war froh, noch einen zusätzlichen Festmacher angebracht habe. Morgens gibt die  Wetterkarte nur noch 4-5 btf an, die Yachten der Regatta machen sich fertig, also ich mich auch.
Ich verquatsche mich noch ein bisschen mit einem jungen Letten, der auch an der Regatta teilnimmt, aber als die ihr Signal erhalten, gibt es kein Halten mehr: Leinen los.
Mein Ziel ist ein Hafen namens Montu, neu erbaut, ziemlich allein liegend, wenn alles klappt, und ich mich danach fühle, kann ich auch weiter fahren bis Ventspils in Lettland.
Die Fahrt ist windig. Ich bin selten langsamer als 5,5 kn., bei halbem Wind. Als der Ruderdruck zu groß wird, fahre ich das 2. Reff,von da an ist es nur noch schnell.
Trotzdem holen mich die Yachten der Regatta mühelos ein, die fahren allesamt mit Spinnaker, ein fantastischer Anblick. Wie auf einer Perlenkette aufgezogen fahren die, ich würde ja nicht im Traum daran denken, einen Spinnaker zu setzen, ich reffe lieber.


Der Hafen ist wenn man den Hafenführer des Fremdenverkehrsamts hat, leicht zu finden.
An der Hafenmole wartet schon der Hafenmeister in winkt mich an einen bestimmten Platz.
Ist das jetzt wichtig?
Erwartet er mehrere Yachten?
Warum?
Die Schabernack ist das einzige Boot im Hafen, der letzte Eintrag eines anderen Bootes ist vom 18.6.! Seit 10 Tagen ist kein Boot hier gewesen, kein Wunder, dass alles so neu und unbenutzt wirkt. Fast, wie in Cellophan gepackt.

Es ist das absolute „Nichts“. Kein Boot, keine Spur ehemaliger Boote, eine offenbar völlig unbenutzte Sauna, dabei ist die Anfahrt an diesen Hafen wesentlich einfacher, als an alle anderen, die ich bislang besucht hab.
Ich hätte gewarnt sein sollen, oben genannter Hafenführer empfiehlt als Betätigung einen Spaziergang im Wald.
Direkt neben dem Hafen: Ein Campingplatz mönströser Größe: Größer, als die Megaplätze in Holland, sicher über 3-4 Fußballfelder groß - ein einziges Wohnmobil parkt da. Aus Gießen. Dabei gibt es nichts sehenswertes rundherum. Kuressaare ist 40 km weit weg, 6 km südlich gibt es einen Leuchtturm. 




Ich weiß ja nicht, wie lange sich so was hält.




Donnerstag, 27. Juni 2019

Kuressaare 26.-27.6.2019


Während Deutschland den wohl heißesten Juni der Wetteraufzeichnung erlebt, ist es hier eher kühl. Die kurze Hose weicht der langen Segelhose, der Himmel ist grau und schwer. Es ist zu kühl, sagen die Esten. Und zu windig.
Ich möchte für die nächsten Tage eine Option haben, also strebe ich Kuressaare an, die größte Stadt auf Sareemaa. Es soll ein Schloss da geben und einen hübschen Stadtpark.
Die Tour dahin ist eher langweilig. Es gibt mal Wind, mal gibt es keinen. Mal regnet es, mal regnet es nicht, mal fahre ich mit gerefften Segel 6 kn mal mit offenen Segeln 3.  Aber immer ist dieses unsichere Gefühl, dass jederzeit ein undokumentierter Stein meinen Kiel weghauen könnte.



Auch mit der Entscheidung, welchen Hafen ich anlaufen soll, warte ich bis zum letzten Moment. Die Alternative: In der Stadt (teuer), auf Abruka, einer etwas einsamen Insel vor der Stadt (6 Meilen weniger zum Segeln) oder Roomassaare, etwa 4 km weg von der Stadt. Aber billiger und wer weiß, wie lange ich ausharren muss.
Ich entscheide mich für letzteres.
Im Hafen liegen eine ganze Menge großer  Yachten, so viele auf einen Haufen habe ich gar nicht erwartet. Des Rätsels Lösung: es finden gerade die Lettischen Meisterschaften statt, die Boote sollen morgen auf Regattakurs nach Ruhnu gehen. Ich erfahre, dass deswegen auch die Sauna warm ist und ich eingeladen bin.
Am nächsten Tag dann das, was eigentlich alle erwartet haben: 6-7 btf fegen über die Rigaer Bucht, die Regatta wird verschoben und ich lege vorsichtshalber noch eine Leine zusätzlich ans Boot. Man weiß ja nie. 
Ich fahre mit dem Bus, der gleich am Hafen hält, in die Stadt. Im besten Englisch frage ich nach einer Fahrkarte und ernte von der Fahrerin ein herzliches Lachen: der ÖPNV hier ist umsonst.
Dafür ist er umso halsbrecherischer: Die Radlager haben die besten Zeiten längst hinter sich, es rumpelt und kracht und der Kleinbus wird ohne Mitleid zum Flughafen (!) geprügelt und in den Nähe der Burg schmeißt die Fahrerin mich raus und bedeutet mir, dass sie später hier wieder vorbeikommt.



 Die Burg ist tatsächlich Klasse und vermittelt mehr als nur einen schwachen Eindruck.





Die "Gartenstadt", die Kärdla gerne wäre, Kuressaare kommt den ganz schön nah.




Die Distanzen auf dem Schild machen mich schon nervös: Rönne sind 1410 km! Und das ist erst Dänemark...
Und der Wind spielt gerad gar nicht mit...


Es gibt wirklich hübsche Ecken in der Stadt, allerdings herrscht gerade ein ziemlicher Bauboom und die alten, kopfsteingepflasterten Straßen werden gerade asphaltiert und Auto-tauglich gemacht...

Dienstag, 25. Juni 2019

Kuivasto 25.6.2019


Den ganzen gestrigen Abend hab ich grübelnd und Karten studierend zugebracht. Wohin soll die Reise weiter gehen? Zwei Tage lang bleibt das Wetter noch gut, dann kommt eine Starkwindphase, die gut eine Woche dauern könnte und meinen Besuch in Visby eher unwahrscheinlich macht.
Irgendwo muss ich mich für die Tage verkriechen können. Zu Tode langweilen will ich mich allerdings nicht und, sollte sich die Wettervorhersage noch beruhigen, will ich natürlich für den Sprung nach Visby bereit sein.
Denken, grübeln, planen...




Mein Ziel heute ist Kuivasto, der Hafen gehört zum selben Betreiber wie Rohuküla, also komme ich mit 10 Euro davon.
Es ist fast vollkommen windstill, also muss der Motor ran. Bei der Ausfahrt aus dem Hafen begegne ich wieder der Fähre, die ich schon bei der Einfahrt getroffen hab.


  

Im Hafen helfen mir Armgard und Jan-Ole beim Anlegen, und dann gibts Kaffee auf dem Nachbarschiff bei Anton (!). Im Laufe des Tages und des Abends rede ich so viel, wie seit Wochen nicht mehr. Alle anderen sind auf dem Weg in den Norden, fahren an der Ostseite hoch in die Ostsee, ich bin wohl der einzige, der so herum zurück will. Hmmm. Hab ich da einen Denkfehler? 

Montag, 24. Juni 2019

Die Summe falscher Entscheidungen: Rohuküla 24.6.2019


Ich nehme mir vor, innen durch die Inselwelt Estlands zu fahren, es sollte doch mit demTeufel zugehen, wenn es nicht hübschere Stadte zu sehen gibt, als Kärdla, das vom Fremdenverkehrsamt als "Gartenstadt" verkauft wird. (Fehlentscheidung 1)

Morgens schnacke ich noch mit Ole, einem Bianca Reviera Segler, der gestern abends in den Hafen kam und erstmal sehr unwirsch und kurz angebunden war, wie seine Mitseglerin auch.
Den Grund dafür erfahre ich jetzt, er hatte gestern Kontakt mit einem nicht markierten Stein, der ihm seine Kielgewichte abgehauen hat. Hier im Hafen will er das reparieren lassen.
Ich hatte allerdings gestern abend noch ein langes, schönes Gespräch mit dem Bar-Besitzer, der seine Bar in den Räumen des ehemaligen Yachtservice eingerichtet hat....

Mein Plan ist es, nach Haapsalu zu segeln, ein Städtchen, das wohl recht hübsch sein soll. Was mir allerdings auffällt ist, dass mir Navionics einen Kurs mit einem riesigen Umweg um die Insel Vormsi errechnet. Der dann auch noch durch ein steinverseuchtes Gebiet führt.
Ich drehe ab und suche die Südumfahrung. Die zwar länger ist, aber sicherer zu sein scheint. (Fehlentscheidung 2)

Südlich der Insel hab ich keine Lust mehr. Die Umkurverei eingezeichneter, aber nicht sichtbarer Steine nervt und strengt wahnsinnig an. Ich fahre den Hafen Rohuküla an (Fehlentscheidung 3)



Und das ist, was rauskommt, wenn man sich nicht konsequent entscheidet: Ein Hafen von ausgesprochener Hässlichkeit. 
  





Und die Fähre fährt auch nur ein paar Meter hinter meiner Heckboje entlang und macht einen Heidenlärm.

Den Hafenmeister finde ich auch eher zufällig, der hat sich meinen  Bootsnamen schon bei meiner Einfahrt aufgeschrieben. 
Und er taxiert mit einem Augenzwinkern die Bianca 28 auf 7.90m. Das macht dann nur 10 Euro Hafengebühr. Ein Schnäppchen.



Der Schwell steht auch genau im Hafen und drückt von achtern auf mein Boot. Das fühlt und hört sich an, als wäre ich auf hoher See unterwegs. Das macht mich so müde, dass ich gleich einschlafe. 

Sonntag, 23. Juni 2019

Alte Dünung - Hankö - Kärdla 22.6 - 23.6.2019


Den ganzen Tag über geht mein Blick auf den Windfinder: Was macht der Wind? Wann flaut er ab? Angesagt sind 5-6 bft, die ich nur im äußersten Notfall gegenan segeln würde. Die Messwerte zeigen 7-8bft. Im Hafen liege ich sicher und ruhig, hier bekomme ich kaum was davon mit.
Ich kalkuliere: die Strecke von meinem Hafen aus bis Kärdla in Estland beträgt 56 sm.Schaffe ich einen Schnitt von 4 kn brauche ich 14 Stunden. Das ist überschaubar.
Der Wind flaut gegen 19.00 ab, um 20.00 steht die Hafenmeisterin an meinem Boot. Sie will für die Nacht kassieren und ist ziemlich unwirsch, als ich ihr erkläre, dass ich gleich abfahren werde.
Die Wetterkarte hat mich sehr beeindruckt: Ich nehme das Groß ins 2. Reff und nehme die kleine Fock. Sicher ist sicher.






Das Reff löse ich, noch bevor ich im Fahrwasser bin, und nachdem das Boot kaum einmal 2-3 kn hinbekommt, wechsele ich die Fock gegen die Genua. Dabei ist mir schon mulmig. Wenn es draußen doch windiger ist, ist das Umswitchen auf die kleinere Fock doch ein hoher Aufwand, aber jetzt gerade komme ich kaum vorwärts.
Ich muss ziemlich aufpassen: Noch 10 sm draußen gibt es Steine, die auf der Karte verzeichnet sind, aber nicht mehr großartig markiert werden. 
Ich komme nicht recht vorwärts: Zwar ist der Wind gar nicht so schlecht, aber ich muss gegen die alte Dünung segeln. Der Wind, der diese Wellen aufgebaut hat, ist schon lange durchgezogen, die Wellen aber noch da. Ich tröste mich damit, dass das auch irgendwann aufhört.



Der Sonnenuntergang gegen 1:00 ist spektakulär, aber auch wenn die Sonne jetzt weg ist, dunkel wird es kaum. 2 Stunden lang muss ich die Leuchten einschalten, als ich das Verkehrstrennungsgebiet erreiche, ist es bereits so hell, dass ich die Lichter wieder ausschalte.
Ich werde allerdings kaum schneller, als 3 kn, wenn ich den Kurs halten will. 
Ich lasse den Autopiloten steuern, und gehe unter Deck. Hier wieder das selbe Spiel, wie im April: Sitzen geht nicht, dann werde ich seekrank. Liegen aber schon. Und zwar auf der rechten Seite. Immer 20 min, dann der Blick raus.
Und so vergeht auch hier die Nacht. Akustisch habe ich den Eindruck, die Schabernack saust mit Höchstgeschwindigkeit durchs Wasser, der Blick auf die Logge bleibt dabei 3 kn. Wenn überhaupt.
Die Magie der Nacht im April bekommt es nicht, dafür ist es aber auch nur halb so anstrengend.
Durchs Verkehrstrennungsgebiet steuere ich selbst, ansonsten macht das der Autopilot. 
Richtiges Segeln ergibt sich ohnehin erst auf den letzten Meilen: Hier sind die Wellen weg, der Wind wird gut beschleunigt und ich sause mit 6 kn durch ein Gebiet, von dem meine Karte sagt: "Hier ein Stein, da ein Stein". Um 14:00 erreiche ich den Hafen. 
Hier werde ich von einem jungen, lustigen, barttragenden Kerl eingewiesen. Und ich muss dringend Wäsche waschen.


Dann gehe ich in den "Hauptort". Dass das hier mal Sowjetunion war, fällt auf den ersten Blick auf.








Hankö 21.6.2019





Der ärgste Feind der Finnen ist die Melancholie: Trübsal, grenzenlose Apathie. Schwermut lastet auf dem unglücklichen Volk, hat sich im Laufe der Jahrtausende alle Menschen des Landes unterworfen, sodass ihre Seele düster und ernst ist. Die Wirkung ist so verheerend, dass viele im Tod die einzige Rettung aus der
Bedrängnis sehen. Das finstere Gemüt ist ein schlimmerer Feind als einst die Sowjetunion. Die Finnen sind jedoch ein Volk von Kämpfern. Nachgeben gilt nicht. Ein ums andere Mal rebellieren sie gegen den Tyrannen. Johannis, das mittsommerliche Fest des Lichtes und der Freude, ist für die Finnen wie eine gewaltige Schlacht, in der sie die zehrende Schwermut mit vereinten Kräften und gewaltsamen Mitteln zu bannen versuchen. Das ganze Volk macht am Vorabend von Johannis mobil: Nicht nur die diensttauglichen Männer, sondern auch Frauen, Kinder und alte Leute eilen an die Front. 
An Finnlands tausend und abertausend Seen werden riesige heidnische Feuer entfacht, um die Finsternis zu vertreiben. Blauweiße Kriegsfahnen werden an den Masten gehisst. Fünf Millionen finnischer Krieger stärken sich vor der Schlacht mit fettigen Würsten und gegrillten Schweinesteaks. Bedenkenlos trinken sie sich Mut an, und zu Akkordeonklängen marschieren die
Truppen auf, um den Feind zu attackieren. In einem pausenlosen, die ganze Nacht währenden Kampf wird seine Macht gebrochen.
In der Hitze der Nahkämpfe finden die Geschlechter zueinander, Frauen werden geschwängert. In Schnellbooten fahren Männer hinaus und ertrinken in den Seen und Buchten. Zu Tausenden fallen die Menschen in die Erlenbüsche und Brennnesselsträucher. Man sieht aufopfernde Tapferkeit und zahlreiche Heldentaten. Freude und Glück tragen den Sieg davon, die Schwermut wird vertrieben, das Volk genießt wenigstens eine Nacht im Jahr seine Freiheit, nachdem es den finsteren Unterdrücker gewaltsam bezwungen hat.
(Arto Paasilinna: Der Wunderbare Massenselbstmord)

Die Saufnasen sind entweder früh auf, oder haben gar nicht geschlafen, jedenfalls ist der See vor dem Hafen knallvoll halsbrecherischer Speedbootfahrer(innen). Der Wind geht schwach, die Schabernack dümpelt mehr, als sie fährt und gerät mehrfach in spektakuläre Wellen. 
Die Fahrt nach Hankö verbuche ich dennoch als schöne Überraschung, viel schöner, als die profane Tourenbeschreibung darstellt, viel schöner, als aus der Karte herzuleiten. Viele schöne enge Durchfahrten, nah am Felsen, Inseln mit fantastischen Häusern und auch ohne Häuser... mir scheint, als zeige sich das Archipel von seiner schönsten Seite, um den Abschied so richtig schwer zu machen.
Hat geklappt.






Ich wähle den Hafen am Nordrand der Halbinsel, weit weg vom Gedöns. Kaufe ein und ziehe mich zurück. Krach kann ich jetzt gerade gar nicht.

Schleuse Altenrheine - Kurz vor Lingen 2.4.2024 (Ach, Du Scheiße!)

  Ich habe das Gefühl, ein bisschen was aufholen zu müssen und bin früh unterwegs. Ich kann mich hinter einem Tanker einordnen, der ziemlich...