Donnerstag, 23. Juni 2022

Himmel und Hölle: Svendborg 22.6. - 24.6.2022

 


Nach einer selten ruhigen Nacht ohne Wind und Geschaukele dichte ich das Loch mit Epoxi-Filler ab und warte noch ein paar Stunden. 
In zehn Stunden kommt Konstantina in Svendborg an, juchuh! 
Das sind aber nur etwa 10 sm, also kein Grund zur Hektik. Ich steige ins Dinghi und nehme mir noch einmal die Windfahne vor und richte das Pendelruder nun aber so richtig in Neutralstellung aus. Gestern hat das schon ganz annehmbar funktioniert, aber die Nähe zu den Inseln macht das Segeln mit Windfahne schwer: Zu oft ändert sich der Wind nur um ein paar Grad- dann ist Essig.

Das Ablegen vom Anker klappt wie am Schnürchen, ich muss nicht einmal den Motor starten. Nur mit dem Vorsegel und der Windfahne geht es mit 3-4 kn Richtung Svendborg. Ganz entspannt und gemütlich und unter konsequenter Verweigerung aller "2-Boote-1-Regatta" Auftritte. 


Den Kurs ändere ich nur mit dem Verstellen der Fahne, so soll das gehen. Und hinter mir pritschelt das Dinghi - Hach wie schön.
Vor Svendborg nehme ich die Windfahne rein und setze den elektrischen ein, ich möchte das Dinghi ins Boot holen, die Hafen sind doch recht voll. Und in sechs Stunden kommt Konstantina.

Das Drama: Teil 1


Dabei unterschätze ich die Strömung ganz gewaltig, und ein Blick auf die Karte wäre auch gut gewesen. Gerade, als ich mich umschaue, und mir denke, "Och, du bist aber nah am Ufer" gibts ein heftigen Knirschen und ich bin im Kiesbett einer Sandbank, von der ich später erfahren werde, dass die "Skansen" heißt. 
Die Strömung drückt mich mit einer solchen Macht auf die Untiefe, dass ich quer dazu zum Liegen komme und ich mich auch bei Vollgas keinen Zentimeter rühre. Alle Ausbuddeltechniken, die ich kenne, Hin- und Herfahren, Rückwärts fahren, Segel setzen und das Boot quer stellen um Tiefgang zu verringern - erfolglos. Andere Boot fahren vorbei, keiner bietet Hilfe an. 
Und in fünf Stunden kommt Konstantina.
Schließlich bekomme ich Hilfe aus dem Nordhafen, ein flaches Boot kommt vorsichtig an, ich gebe meine Leine über (Klar, alte Seemannsrecht, sonst gehört dem mein Boot).
Es geht auch gegen die Strömung gleich wieder ins Tiefe und ich bin frei. 

Das Drama Teil 2


Und der Beifahrer löst frohgemut die Leine. Ich fahre gegen den Strom, er fährt vor mir gegen den Strom, meine Leine... ich kann nicht so schnell zum Bug sprinten, als dass die Leine mit der Strömung unter die Ithaka kommt und sich in der Schraube verfängt. Und das Boot treibt rückwärts - Richtung der Sandbank, von der ich gerade frei gekommen bin. Ich kann zwar Gas geben, und auch den Vorwärtsgang einlegen, nur hat das gar keinen Erfolg. Ich bin manöverunfähig. Die Jungs kommen zurück und werfen eine Leine über. Und Ziehen mich Richtung Südhafen.

Das Drama Teil 3


Die Rechnung haben wir ohne die Fahrwasserbegrenzungstonnen gemacht. Die Strömung zieht dermaßen, dass die Tonne, die ich eigentlich beachten sollte, genau zwischen die Boote gerät. Wie die Jungs ihre Leine, die ja bei mir fest belegt war, freibekommen haben, weiß ich beim Schreiben dieser Zeilen immer noch nicht. Aber Ithaka dreht sich erst einmal um die Tonne, wie ein Torero um der Stier - um gleich auf die nächste Tonnen zuzutreiben. Was für eine Scheiße. Entgegen besseren Wissens lege ich den Gang ein und gebe Gas, und schaffe es, der Tonnen fast zu entgehen, nur die Windfahne kriegt einen mittleren Schlag ab.
Aber wieso eigentlich?
Ich weiß nicht, wieso, ich weiß nur dass ich gerade fahren kann - und fahre vorsichtig, wie Igel beim Liebesspiel Richtung Hafen.
Und kann anlegen, allerdings traue ich mich nicht, mit Rückwärtsgang zu bremsen.
Dann befestige ich meine Action-Cam am Enterhaken und filme das Ungemach:


Das ist schnell klar, ich muss tauchen. Und dazu wechsele ich meinen Liegeplatz:
zum einen, weil mir aus dem Nachbarboot Schlagermusik entgegenschallt, dass gleich alles zu spät ist, 
zum anderen, weil ich Hoffnung habe, dass weiter hinten im Hafen das Wasser sauberer ist.
Beim Anlegen bekomme ich Unterstützung und komme gleich mal ins Gespräch. Und bekomme einen Neopren-shorty angeboten, damit es nicht gar so kalt wird.
Ich nehme das Angebot natürlich an und nach einem halben Dutzend Tauchgängen ist das Gestrüpp ab. 
Und in drei Stunden kommt Konstantina.


Ich stelle fest, dass ich im Schlick von Tönning dann doch wohl nicht das ganze Netz wegbekommen habe, und die Leine habe ich wohl beim beherzten Einlegen des Ganges vorhin auf dem Wasser durchtrennt, so dass die Schraube wieder frei war. Nur ist jetzt die Backbord-Vorleine ein paar Zentimeter kürzer.



Während des Duschens, Essens, Ausruhens hat eine Band an einer kleinen Bühne im Hafen aufgebaut und gerade, als ich mich darüber lustig machen möchte, dass der Gitarrist genauso lange stimmt, wie Jerry Garcia im Rockpalast, spielen die eine Version von North Country Girl, so sanft, so liebevoll, ich hab Tränen in den Augen, und ich schwöre, das Leben kommt für einen Moment zum Stillstand.
Und dann gehe ich Konstantina abholen.

Am nächsten Tag wollen wir eigentlich weiter, entweder ankern oder nach Rudköbing. Aber wir brauchen was zum Essen, und wandern durch die Stadt. Besichtigen die Kirche und kommen in ein Probe des Organisten mit einer Akkordeonspielerin. Ich frage nach den Stücken, die die beiden spielen.
Es ist so anders: alleine hätte ich die Musik angehört in dem festen Wissen, dieses Stück nie wieder zu hören. Weil Konstantina aber gerne wissen möchte, wie das Stück heißt, gehe ich zu den beiden und frage - das hätte ich alleine nie gemacht.
Wir bekommen die Kirchenfenster erklärt und die Effekte der Lichtgestaltung.




Und kaufen Lachs, die Zeiten kulinarischen Rumgehudels ist jetzt vorbei.


Ich erfahre außerdem, dass morgen "Hanstag" ist und heute überall am Strand Feuer entzündet werden. 






 

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