Donnerstag, 19. Mai 2022

Schreck in der Abendstunde 19.5.2022

 


Anton hat mir den Weg über Harlingen empfohlen, um den zeitraubenden und nervigen Eisenbahnbrücken südlich von Leeuwarden zu entgehen. Letztlich ist der Weg dann aber so weit, dass es dreimal so viele Brücken hätten sein können- ich wäre immer noch schneller in Leeuwarden.
Es soll eine Gewitterfront durchziehen, so sagte jedenfalls mein Bootsnachbar. Das tut sie auch um 6.00 morgens. Das ist auch ok, abgesehen von der Tatsache, dass ich aus dem warmen Bett raus muss, um die klappernden Fallen festzumachen. Die Strömung nach Harlingen läuft bis 12.00, da kann der Morgen ruhig angehen.
Als ich um 9.00 Zähne putze, fahren die Nachbarn los in die Schleuse. Sie verstehen wenigstens den Dialog an der Funke, ich glaube, die Schleusenwärterin hat angekündigt, die kleine Schleuse zu öffnen.
Also werfe ich auch die Leinen los und brause mit speed und Zahnbürste im Mund hinterher in die offenen Schleusenkammer.


Und dann warten wir. Und warten. Und warten.
Vom Unwetter ist nichts mehr übrig, über fast spiegelblankes Wasser geht es nach Harlingen. Wieder mit dem Motor. Und das mir, der doch eigentlich viel lieber segelt.


Der Hafen von Harlingen flößt mir einen Heidenrespekt ein, ich habe auch gar keine Zeit gehabt, mich schlau zu machen, wo es denn nun eigentlich zur Schleuse und zur Staande Mast Route geht, da sehe ich hinten in der Ecke des Hafens die anderen Yachten, mit denen ich durch die Lorenzschleuse gefahren bin.
Der Kanal ist wirklich nicht der Rede wert. Das Industriegebiet von Harlingen zieht sich ewig weit, erst ab Franeker wird es schöner. Aber keine Marrekrite in Sicht. Erst kurz vor Leeuwarden gibt es einen Anlegeplatz, und das ist dringend nötig, weil es dann unwetterartig anfängt zu regnen.
Da sollte ich eigentlich nicht reinfahren, den es sind nur 80cm Tiefe angegeben.

Das ist mir aber gerade völlig egal, ich versuche es trotzdem und schaffe es mühelos bis an den ersten Steiger. „Anfangs ist es immer tief, weiter hinten ist es flach“ sagt mein innerer Schweinehund und hat recht. Und weil es mir bei dem Wind ins Boot reinregnen würde, drehe ich sogar noch. Dabei bleibe ich dann doch stecken, was aber bei dem Wind eher ein Vorteil ist. Ich kann mich bequem rausbuddeln, ohne abgetrieben zu werden.
Als ich am Steg liege, (warum ziehe ich mir eigentlich nur eine Regenjacke, aber keine Regenhose an?), koche ich Kakao und lege mich erst einmal hin.
Zweimal ist der Motor nicht richtig angesprungen, das macht mir Sorgen. Entweder ist die Batterie nicht mehr in Ordnung, oder die Kontakte müssen mal gereinigt werden. Darum habe ich mich wirklich nicht gekümmert.
Ich stelle außerdem fest, dass wieder ein bisschen Wasser durch die Stopfbuchse reinkommt. Sehr wenig nur, aber immerhin.
Dass Nachziehen der Buchse ist schnell und einfach erledigt.
Beim Reinigen der Kontakte mache ich einen Fehler, für den ich mich ohrfeigen könnte:  Ich löse das mordsdicke Kabel am Anlasser (die Kontakt sind jetzt wirklich nicht so der Knaller, aber eigentlich sollte das doch klappen.... bbrrzzbbrrrzzbbrrzz... stieben die Funken durch den Motorraum. Ich habe das Massekabel der Batterie drangelassen und einen Mordskurzschluss produziert!
Zitternden Fingers hänge ich die Kabel wieder dran und traue mich auch kaum, den Schlüssel zu drehen - nichts passiert.

Gar nichts.

Ich könnte kotzen, ich habe wohl gerade meinen Urlaub gehimmelt.
Ich messe, es liegen 13 Volt am Kabel an, die Spannungsbirne glüht, sogar die Vorglühleuchte geht an. Trotzdem passiert nichts. Ich fange zunächst hektisch und planlos an, "was zu tun", typische Übersprunghandlung.
Dann rufe ich Konstantina an, die ich morgen ja in Leeuwarden am Bahnhof abholen will. Von ihr kommt der einzig sinnvolle Rat: heute nichts mehr zu tun, morgen zu einem anderen Boot gehen und fragen was man in einer solchen Situation macht. Und dannvielleicht nach Griechenland kommen. Und abschalten. Meditieren. So was.
Ich fahre langsam runter, natürlich kann ich nicht abschalten. Ich analysiere:
  • Der Zündschalter kann nicht kaputt sein, warum sollte er, da lief kein Strom durch
  • Der Anlasser kann eigentlich auch nichts abbekommen haben.
  • Die Lichtmaschine eigentlich auch nicht, da lief auch nichts durch, wenn nicht zufälligerweise das Kabel für die Zündkontrollleuchte auf dem Motorblock gelegen hat.
  • Es kann nur die Batterie sein, aber die ist 1. ersetzbar, und 2. scheint die ihre besten Tage ohnehin hinter sich zu haben.
Ich stehe also spät am Abend noch einmal auf und schließe die Verbraucherbatterie als Starter an: - und siehe da, der Motor startet, als wenn nichts gewesen wäre.
Und so hätte der geneigte Leser Zeuge werden können, wie ein bestager auf den Steig springt und ein wildes Tänzchen aufführt.
Und einfach nur so, nur um zu sehen, ob das klappt, schließe ich die Starterbatterie, die eben noch ihren Dienst verweigert hatte an, und siehe da:

-klappt.

Ich fasse es nicht.



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