Dienstag, 10. Mai 2022

Ist es noch Wartung oder schon Refit? Kap. 1 Der Mast

Das Boot muss über den Winter raus. Da muss Rost entfernt, das Unterwasserschiff angeguckt und das Antifouling geprüft werden.

Meine Wahl fällt auf die Werft Jachtwerft Leechlan in Grou, direkt am Prinses-Margriet-Kanal. Drauf aufmerksam werde ich bei der Heimfahrt im Sommer, man darf wohl am Boot bauen (DIY-Bereich),der Preis und die Bedingungen scheinen akzeptabel.

Kapitel 1: Der Mast

Oktober 21

Mein Vorbesitzer hatte einen Jütbaum gebaut: "jaja, dat geht ganz einfach". Und so beschließe ich, das im Hafen einfach zu probieren. Mit gelegtem Mast muss ich dann ja auch nicht bei den Brücken warten.
Ganz einfach geht es nun nicht, aber nach 2 Stunden sind wir soweit, die Wanten sind los, ich stehe an der Winsch und wir lassen den Mast runter. Zumindest teilweise. Denn als der Mast schräg steht, reißt die Halterung, mit der das Vorstag an Deck befestigt wurde einfach ab. Die Schweißnaht war wohl eher geklebt als geschweißt.
Ich kann den Reflex, den Mast mit der Hand abzufangen gerade noch unterdrücken und so kracht der Mast mit Schmackes auf den Aufbau.Ich bin vor Schreck so gelähmt, dass ich mich nicht traue, mich umzudrehen, ob auf dem Steg jemand stand, oder ein Boot beschädigt wurde.
Trotzdem wuchten Konstantina und ich den Mast auf die Halterungen und mit einem Mordsschreck in den Knochen fahren wir gen Grou. 
 

 
In der Werft wartet man schon auf uns, aber warum wir das mit dem Mast selbst machen, die haben einen Kran für so was.
Ich zeige Omme, einem Angestellten, den Schaden, den ich erkennen kann, und höre zum ersten Mal den Satz, der im kommenden Winter zum Standardrepertoire gehört: "Das ist kein Problem"


 
Der Mast soll bis Februar trocknen, dann wird er mit Epoxy behandelt, dann ist er stabiler als je zuvor. So der Plan. Bis dahin soll der in der Halle trocknen.
Was da kosten soll, kann mir niemand sagen.
 
Als ich aber eine Woche später wieder zur Werft komme um Ithaka einzupacken, liegt der Mast immer noch auf dem Boot. Vom In-die-Halle-packen keine Spur.
Ich spreche Omme an, der fährt mit einem Gabelstapler vor, und lädt den Mast erst einmal vom Boot, damit ich die Planen drüber machen kann.
Zwei Wochen später liegt der Mast immer noch da.
Vom in-die Halle-fahren immer noch keine Spur.
Ich muss Fred, dem Werftbesitzer erst eine nachdrückliche Mail schreiben, dann kommt der Mast in die Halle: "Kein Problem".
 

Anfang März 22

 
Im Februar kann mir immer noch niemand sagen, was die Epoxy-Behandlung kosten soll, dann fährt Anton mit zur Werft.
Gemeinsam holen wir den Mast, der in der Halle unter der Decke aufgehängt ist, herunter.
Legen ihn auf zwei Böcke und fangen an, den alten Lack abzuarbeiten.
 


Anton ist sehr unbegeistert. 
 



Fred kommt dazu, von "kein Problem" ist auch keine Rede mehr.
Anton und er frieseln miteinander ich stehe dumm rum, dann fällt das Urteil: Der Mast ist nicht zu retten, Epoxy hin oder her.
Ich schwanke zwischen Unglauben und Ärger. Unglaube, weil Omme doch versprochen hat... 
und Ärger, weil das Geld für die Einlagerung hat Fred ja nun schon genommen.
Die beiden frieseln weiter, viel "hmmhmm" und "jaja", dann meint Anton, dass da noch ein Holzmast liegt, den sollen wir mal ausmessen. 
der ist aber 38 cm kürzer als meiner und an der Spitze ist er krumm. Dafür ungeheuer solide. Aber "das ist kein Problem", das zieht man mit der Want gerade
Fred schlägt vor, dem Mast eine Art Prothese anzulegen, auch das ist "kein Problem".
Was der kosten soll?
"2 Kisten Bier". Ich glaube, mich verhört zu haben, aber es stimmt. Wieder einmal bewundere ich das Kommunikationsgenie Anton, der Gott und die Welt kennt und für sich einnehmen kann.
 

Natürlich brauchen wir einen neuen Mastfuß, die Höhendifferenz muss ja ausgeglichen werden.
"Das ist kein Problem" sagt Anton.
Und fängt schon mal an zu schweißen.
 




Dann ist es soweit, der alte Mastfuß kommt weg. Das müssen wir unter der Plane machen, damit kein Metallstaub auf die andere Boote fliegt.
 

 

April 2022

Allmählich sollte warm genug werden, um den Mast zu streichen. Das muss ich draußen machen, in die Halle kann ich nicht. Entweder da lackiert jemand, dann kann ich nicht schleifen, oder es schleift jemand, dann kann ich nicht streichen.
 
 
Weiß soll er werden, das ist schnell klar.
Aber vielleicht ist es zu kalt, vielleicht bin ich zu ungeduldig. Als wir den Mastfuß anprobieren, stellen wir fest: die Farbe hält nicht. Einen frustrierenden Tag lang, sind Konstantina und ich damit beschäftigt, die Farbe wieder abzukratzen. 
Dann übernimmt Anja die Streicherei...
 
 
... und ich fange an, mit Anton zu schweißen.
Und weil hier nichts einfach ist, muss natürlich auch die Deckenverkleidung weg.
Und noch was hingeschweißt werden.
Und Konstantina muss unter Deck aufpassen, dass nichts brennt.


Mai 2022

In der Zwischenzeit wohne ich praktisch bei Anton und Anja. Und bin jeden Tag an der Ithaka. 
Salinge, Wanten, Blöcke, Fallen müssen noch dran gebaut werden und Leitungen durch den Mast gezogen werden. Und ich bete, dass wir genau gerechnet haben und dass die Wanten passen. In meinen Träumen sehe ich die Wanten schlaff herunter hängen, oder 10 cm zu kurz. 
 
 
Eigentlich wollte ich heute auf größere Fahrt gehen, aber selbst der Zusammenbau dauert einen Tag. 
Es sind nämlich 194 Schritte vom Mast vor der Halle zum Boot. Einfach.
Die Beschläge sind in einem Eimer, ein paar neue Blöcke und rostfreie Schrauben habe ich vorher besorgt. Aber: Schraubenzieher vergessen: 194 Schritte zum Boot, 194 Schritte zurück.
falscher Schraubenschlüssel: 194 Schritte...
So vergeht ein Tag.

Das Boot dann ins Wasser zu bekommen, ist das nächste Problem. 
Am 1. Mai arbeitet keiner, dann ist der Montag, da ist zu viel los, dann hat Omme frei, dann ist nationaler Gedenktag...
 
Immerhin wird Ithaka schon mal an den Kran gezogen, weil ich noch einen Halter der Selbststeueranlage an den Heckkorb schweißen will
 

Tatsächlich verpasse ich das Kranen, weil ich Mittwochs etwas später zur Werft komme. Anton hat sich in der Zwischenzeit mit der Rik gen Norwegen verabschiedet und kann nicht sehen, wie der Mast gestellt wird. Ich sehe auch nur den zweiten Teil, als ich ankomme, steht der Mast teilweise.
Und tatsächlich: alles passt: Vor- und Backstag brauche eine Verlängerung, weil der neuen Mast 5 cm höher steht als der alte, aber mit meiner Sammlung von Wantenspannern und Schäkeln ist das "kein Problem".
 



 

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