Montag, 8. Juli 2019

20 Stunden rock'n roll. Ventspils - Slite 7.7.- 8.7.2019


Der Samstag ist nicht geeignet, meinen Frust zu verbessern. Der Wind dreht ein bisschen nach Süden, das sollte (könnte) eine Möglichkeit ergeben, nach Gotland zu fahren. Um 9 stehe ich an der Hafenausfahrt in 2-3m Welle. Und komme keinen Meter vorwärts. Neben mir kämpft sich eine 20m Yacht mühsam aus dem Hafen, für mich: keine Chance.

Ich fahre wieder zurück. Und lege mich erst einmal aufs Ohr.
Als ich wach werde, liegen Andi und Birte neben mir, die sind gerade aus Gotland hergekommen. Birte war die meiste Zeit unter Deck und seekrank, dermaßen stark hat die Dühnung und die Windwelle das Boot durchgeschaukelt. Und das ist 4 Meter länger als die Schabernack.
Ein Satz von Andi lässt mich aufhorchen: Ab übermorgen ist ja stabiler Nordwind dran. Der stellt sich dann tatsächlich schon am Sonntag ein. Mein Plan:

  

Morgens, wenn noch Flaute herrscht, mit dem Motor nördlich vorhalten. Dann setzt ab frühem Nachmittag der Nordwind ein; ab dann wird der Kurs West. Wenn der Wind dann auf NW dreht, falle ich ab und werde im Schutz der Insel nach SW fahren. Je nachdem, wie schnell ich bin, lande ich dann im nördlichen oder südlichen Teil der Insel.
Um 7:30 geht auch schon los. Diesmal ist der Hafen weitgehen ruhig, die Segel hoch, der Autopilot an: 
Von wegen!
Der STREIKT!
Kann denn nicht irgendwas funktionieren?
Ich bin 2 sm vor dem Hafen und entschließe mich zur Rückkehr, hier hab ich nicht die Ruhe und die Möglichkeit, den Fehler zu suchen.
Im Kopfkino geht das ganze Szenario durcheinander. Ich kann beim besten Willen nicht die ganze Strecke bis Gotland mit der Hand segeln, geschweige denn, nach Hause.
Im Hafen:Kopfschütteln, verständlich.
Ich fange an, zu testen: Die Software scheint zu funktionieren.
Es gibt keine Fehlermeldung bezüglich der Treiberbauteils, der scheint also auch zu funktionieren, also die Schubstange.
Abbauen, an die Batterie anklemmen: nichts- überhaupt nichts.
Die Zuleitung habe ich eigentlich bombensicher verbunden, trotzdem löse ich den (wasserdichten) Stecker und schließe die Schubstange dirkt an die Batterie: FUNKTIONIERT!
Also ist doch meine bombensichere Verbindung kaputt, die wird repariert und dann versuche ich den dritten Start. Um 10:00, statt und 8:00, was meine Windstrategie ein bisschen verzerrt.

Der Blick nach hinten:




Und der Blick nach vorne:



Ich setze die volle Segelgarnitur und erreiche mit Motoruntersützung dann auch 4-5 kn. So geht es 5 Stunden lang dahin, eher langweilig und gerade, als ich denke."na, immerhin regnet es nicht", gehts los. Innerhalb weniger Minuten muss ich die Genua gegen die Fock eintauschen, das Großsegel ins zweite Reff nehmen. Und dieser Rock'n Roll, der jetzt anfängt, hört bis Gotland nicht mehr auf.
Von 4 bft. kann keine Rede sein, wenn Wellen, die übers Boot gehen, nicht mehr bis in Cockpit kommen, sondern vor demMast durchgeweht werden, sind das 6 btf.
Ich fange an, zu tricksen: Traveller ins Lee, Niederholer durchsetzen, um das Profil flacher zu bekommen.
Ich verliere dadurch natürlich speed, viel mehr als 4 kn werden es selten, aber sobald ich versuche, schneller zu werden, legt sich die Schabernack weit zur Seite. Und die Hauptwelle kommt von der Seite. 
Allerdings gibt es noch eine unangenehme Kreuzwelle. Von den starken Westwinden der letzten Tage ist immer noch die Dünung unterwegs: Und wenn die auf die frischen Wellen trifft, schaukeln die sich zu beängstigenden Höhen auf.



 Mitten auf dem See sehe ich mit einem Male eine andere Yacht, was mich ungeheuer erleichtert und mir für eine Weile ein sichereres Gefühl vermittelt. Nach einer Stunde lässt der allerdings das Reff aus dem Segel und bald ist der am Horizont verschwunden.

  
Ob ich mich nun an den Zirkus gewöhne, oder ob der Wind etwas nachlässt, ich versuche zunehmend den Autopiloten einzubinden. Und mache wohl irgendwas richtig: Irgendeine Einstellung sorgt dafür, dass die Schabernack nun ihre Bahn zieht, wie auf Schienen. In der zunehmenden Dunkelheit ist die Automatik eh besser als ich.
Ich versuche, ein bisschen Schlaf zu bekommen, allerdings ziehen schon ziemlich große Wellen auf, eine kommt über Deck und die Luke, und ich werde tatsächlich unter Deck nass.
Die Fock pfeift nun wirklich langsam aus dem letzten Loch, Unter- und Achterliek knattern lautstark, zusammen mit dem Lärm des rauschenden Wassers, das Knarzen der Möbel, und immer wieder Wellen, die ans Boot prügeln: Die Schabernack zieht ihren Weg durch.
Bis fast drei Uhr ist Farosund tatsächlich noch eine Option, dann aber fängt das Großsegel immer wieder an, zu killen - der Wind dreht nach NW, ich kann den Kurs so nicht mehr halten.
zwei Häfen stehen zur Auswahl: Valleviken und Slite, beide im nördlichen Drittel.
Ich laufe Valleviken an, was ziemlich viel konzentrierten Navigieren erfordert. Und eine Riesenenttäuschung ist.
Der Hafen sieht aus, wie Dresden 1945, so schlimm, dass ich mich weigere, das zu fotografieren.
Trotzdem lege ich mich erst einmal zum Schlafen hin. Mittags werde ich dann weiter fahren. 
Slite ist nur wenig besser, immerhin gibt es eine Tankstelle, und einen Supermarkt. 
Und ein riesiges Zementwerk, das die Gegend verschandelt.



Dann erreicht mich eine Nachricht von Konstantina, die lädt mich nach Visby ein, ausschlafen und aufwärmen. Festmachen, in den Bus steigen, nach Visby fahren und in die Badewanne hüpfen.





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