Mittwoch, 11. Dezember 2013

Norderney

Am nächsten Morgen begegne ich im Hafen dem Brötchenverteiler. Der ist im T-Shirt. Ich bin in meiner High-Tech-Kleidung. Nun ist mir klar, warum mein Auftritt in der Kneipe keine Beifallsstürme ausgelöst hat. Ich Weichei!
Der Besuch beim Hafenmeister ist kurz: Das Hafenverwaltungsprogramm startet nicht, ist ja auch kein Schwein da. Das heißt, ich brauche nix zu zahlen, auch schön. Der Wetterbericht ist unverändert: Wind aus SW (da wo ich hinwill), Es wird also ein langer Schlag.

Bei der Ausfahrt aus dem Hafen  zeigt sich, dass das Wasser erheblich unruhiger ist, als gestern. Und es ist nebelig. Es schaukelt ganz schön unter Motor, ich denke darüber nach, eine Weile lang Strecke gegen den Wind zu machen, um nicht ganz so spät in Norderney anzukommen. Aber das heißt auch, Wellen genau von vorne anzuschneiden. Dabei werde ich zuerste einmal seekrank. 

Nicht gut!

Ich schlucke eine Tablette (Reisekankheit ratiopharm) und setze Segel. Das Boot wird sofort ruhiger, und nun kann ich mit Hilfe meiner schielenden Kompasse einen Kurs 180 Grad realisieren. Irgendwann in ein paar Stunden kommen also Inseln.
Am späten Vormittag erreiche ich das Ende des Verkehrstrennungsgebietes German Bight.
Und das heißt, es fahren einige ziemlich große Dickschiffe über eine Autobahn. Eine nebelige Autobahn. Und ich sehe gerade mal 200 Meter weit, wenn ich ein Loch in den Nebel starre.
Den ersten Frachter sehe ich vor mir in respektabler Entfernung, eigentlich auf Kollisionskurs. Ich entscheide mich, zwei Wenden zu fahren, und halte auf das Heck des Schiffes zu. Damit sind die Fronten klar.
Die zweite Wende wird aber nicht richtig, ich bleibe mit dem Bug im Wind stecken, ich habe die Fock nicht genügend back gelassen. Nun stehe ich, im Verkehrstrennungsgebiet im Nebel und kann mich nicht rühren.

Nicht gut!

Als ich endlich wieder Fahrt aufnehme, sehe ich den nächsten Pott auf mich zukommen, der hat ziemlich Fahrt. Bloß weg hier! Ich schmeiße den Motor an und flüchte unter Motor und Segel.

Als ich gegen Mittag Wangerooge sehe, wende ich nach Westen. Es ist immer noch nebelig, allerdings scheint immer wieder die Sonne, durch und ich traue mich bei dem vorherrschenden Wind sogar, das Reff aus dem Groß zu nehmen.
Spiekeroog, Langeoog,  Baltrum sausen an mir vorbei, trotzdem stelle ich fest: Die Einfahrt ins Gatt bei Norderney muss ich gegen den Strom schaffen. Wahrscheinlich komme ich erst gegen Abend und dann bei recht niedrigem Wasser an. Und ich habe keine Ahnung, welchen Wert der Tiefenmesser angiebt: Unter dem Kiel oder Wassertiefe.

Nicht gut!

Als die Sonne untergeht, muss ich unter Deck, mich aufwärmen, lasse den Autopiloten laufe und übersehe fast einen Krabbenkutter, der auf Kollisionskurs ziemlich nahe auf Jagt ist. Ich merke, dass ich mit dem Strom gezogen werde, die Geschwindigkeit über Grund ist 2 Kn höher als durchs Wasser. Cool.
Gegen 20 Uhr 30 erreiche ich die Tonne am Dovetief. Und halte die Luft an: von 30 m Wassertiefe gehts schlagartig auf 15m, 10m, 5m, 3,50m, 3m, 2m, 1,80m, 1,70m, 1,70m, 1,70m, 1,80m, 2m, ich atme wieder aus.
Im Fahrwasser kann ich nichts, aber auch gar nichts erkennen. Es ist nebelig und stockfinster. Also fahre ich mit dem Plotter in den Hand, orientiere mich am Geräusch der Brandung an der Robbenplate. Und manchmal scheint der Mond durch.
Um 22 Uhr 30 sehe ich den Hafen. Die nächste Herausforderung: Nirgendwo ist ein Anlegeplatz für Sportboote: Im Yachthafen sind die Schwimmstege aus dem Wasser herausgenommen worden, an der Spundwand mag ich nicht festmachen. Da sehe ich, hinter einer anderen Yacht, noch einen kleinen Platz, der allerdings meine ganze verbliebene Konzentration braucht. Festmachen, wenn die Poller in gefühlten 5 Meter Höhe sind. Ich muss meine Leinen ganz lang machen, damit sie nach oben reichen, dann gehe ich schlafen.

Sehr, sehr leer, der Yachthafen von Norderney.


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